Denn bereits 1990 erhielt der Frauenhainer von der Treuhand die klare Aufgabe, einen Westinteressenten für die Privatisierung zu finden.Zu diesem Zeitpunkt bearbeiteten 27 Mitarbeiter pro Jahr 15 000 bis 20 000 Kubikmeter Holz für Masten und Bahnschwellen.
Interessenten kamen zwar, aber die enormen Altlasten hielten diese vom Kauf ab,
erinnert sich Tilo Vogel.
Monate später hatte er noch immer kein seriöses Privatisierungsangebot auf dem Tisch.
Die Firma schrumpfte auf sechs Mann. Es folgte Kurzarbeit Null. Die Treuhand wollte liquidieren. Sie war der Auffassung, der Betrieb sei nicht überlebensfähig.
Millionen hohe Altlasten bereiten schlaflose Nächte
Doch Tilo Vogel sah das anders. Nahm all seinen Mut und sein Geld zusammen, wagte den Schritt ins Ungewisse und kaufte den Betrieb. Alternativen hatte ich keine, höchstens die,
mich auf dem Arbeitsamt mit anzustellen, sagt er heute.
Es wurde investiert und das Geschäft wieder angekurbelt. Der erste Großauftrag konnte realisiert werden: 35 000 Schwellen für die Deutsche Reichsbahn und 44 000 Telefonmasten für die Deutsche Telekom. Einen Pferdefuß hatte allerdings die rettende Privatisierung: Altlasten, enorme Boden- und Grundwasserkontamination. Man kann nicht auf verseuchtem Boden investieren.
Also musste ich beides unter einen Hut bringen: sanieren und investieren, so Vogel.
Im August 1999 begann schließlich eine der wohl größten Bodensanierung Sachsens.
Und sein 57 000 Quadratmeter großes Firmengelände glich eher einer Mondlandschaft. Ursprünglich waren dafür 2,6 Millionen Euro vorgesehen. Daraus wurden jedoch 8,5 Millionen Euro.
Ein Unternehmen mit sauberer Weste
Schuld für diese Kostenexplosion war eine Reihe von bösen Überraschungen: Granatenfunde, einbetonierte Giftfässer, plötzlich aufgetauchte Leitungen und Kabel, von deren Existenz keiner wusste, metertiefe Teer- und Ölschlämme.
Erst nach monatelangem Ringen mit den Behörden hatte sich der engagierte Geschäftsmann die Freistellung von den Umweltaltlasten durch den Freistaat erkämpft.
Hier musste ich hart bleiben, sonst wären wir krachen gegangen, gesteht Vogel, sich an die zahlreichen Dispute mit den Behörden erinnernd. Jetzt sind wir nicht nur wirtschaftlich gesund und modern, sondern auch ein Unternehmen mit sauberer Weste, so der Firmenchef mit einem verschmitzten Lächeln.
Insgesamt 5,2 Millionen Euro wurden hier seit 1992 investiert. Und von Jahr zu Jahr konnte der Umsatz gesteigert werden. Waren es 1992 noch 2,8 Millionen, so standen im vergangenen Jahr 7,1 Millionen Euro zu Buche. Was immerhin eine Steigerung von 250 Prozent entspricht. Mittlerweile bietet das Wülknitzer Unternehmen 39 Arbeitsplätze.
Das Erfolgsrezept? Nicht abwarten und Tee trinken, sondern sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, antwortet Tilo Vogel prompt. Wir sind innovativ hinsichtlich der Investitionen, Produkte und Umwelt sowie der Kundenwünsche und Nachbarn, betont er.
Qualitäts- und Umweltzertifikate zieren die Wände des Geschäftsführerzimmers.
Besonders stolz ist Tilo Vogel auf das neueste ihm zuerkannte Gütesiegel: das nach europäischen Normen kombinierte Qualitäts- und Umweltmanagementsystem.
Hauptkunden für die Holzschwellen und -masten aus dem Imprägnierwerk sind die Deutsche Bahn AG und Deutsche Telekom AG sowie zunehmend große Energielieferanten und Netzbetreiber.
Mit patentierter Welt-Neuheit auf den Markt
Dass hier Qualität, Liefertreue und Preise stimmen hat sich längst weltweit herumgesprochen. Denn seit 1998 ist die kleine Firma nahe der Stadt Gröditz in den Export eingestiegen.
Exportiert wird beispielsweise in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Jemen, Tansania, Saudi Arabien, Oman und in die Türkei.
Derzeit wartet man in Wülknitz auf den Zulassungsbescheid einer kleinen Sensation.
Denn seit vergangenem Jahr wird hier auf der Grundlage ihres Patentes an einem umweltfreundlichen Holzschutzmittel gearbeitet. Das Creosote EC 265 soll das bisher gesundheitsgefährdende und stark riechende Holzschutzmittel ablösen.
Mit dieser Weltneuheit will man dann auf den Markt.
Noch denkt Tilo Vogel nicht ans Aufhören. In zwei, drei Jahren, mit 65 vielleicht, sagt der agile Geschäftsmann. Er möchte sein Unternehmen später in guten Händen wissen.
Es soll in Familienhand bleiben. Deshalb feile er gemeinsam mit Schwiegersohn Oliver Arlt an einem Unternehmensnachfolgekonzept. Der setzte sich nochmals auf die Schulbank, studierte Betriebswirtschaft. Gemeinsam schwingen sie jetzt hier das Zepter. Und das erfolgreicher denn je.
Trotz zahlreicher böser Überraschungen ließ er sich nicht unterkriegen: Tilo Vogel, Geschäftsführer der Imprägnierwerke Wülknitz, hat bewiesen, dass man es auch auf dem Holzweg zur Oskar-reifen Leistung schaffen kann. Im Jahr 2000 wurde das Unternehmen, das auf eine 128-jährige Geschichte zurückblickt, mit dem Mittelstands-Oskar geehrt. Foto: Schröter
Firmenhistorie
Die Gründung des ersten Unternehmens auf dem Wülknitzer Firmengelände, des heutigen Imprägnierwerkes, erfolgte 1875 als Sägewerk für Eisenbahnschwellen und Bauholz .
Mit dem Imprägnieren von Eisenbahnschwellen wurde vor dem Zweiten Weltkrieg begonnen.
Ab 1956 entstand daraus der VEB Imprägnierwerk Wülknitz.
1990 wurde per Gesetz der Volkseigene Betrieb in eine GmbH der Treuhandanstalt umgewandelt und zum Verkauf angepriesen. Doch keiner wollte diese Firma mit den enormen Altlasten und 27 Mitarbeitern haben.
1992 erwarb Tilo Vogel das Unternehmen von der Treuhand selbst. Danach wurde kräftig saniert und investiert.
1994 entstand ein Holzfachmarkt, 1997 ein neues modernes Imprägnierwerk und 1998 ein weiterer Holzfachmarkt in Riesa.
1998 wurde aus dem Betrieb ein Familienunternehmen. Dr. Brigitte Vogel, Ehefrau des Investors, und Tochter Silke Arlt wurden Mitgesellschafter. Seit Mai 2002 zählt auch Schwiegersohn Oliver Arlt zum Team. Der 39-Jährige ist Technischer Geschäftsführer.
Heute beschäftigt die Firma 39 Mitarbeiter und bildet 7 junge Leute als Handelsfachpacker, Fertigungsmechaniker sowie Groß- und Handelskauffrau aus.
2002 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 7,1 Millionen Euro.